Wenn es wirklich so einfach wäre …
Es ist schon eine ganze Weile her, da glaubten Wissenschaftler der Universität von Kalifornien/Berkeley einen gewissen Zusammenhang zwischen der Länge des Ringfingers im Vergleich zur Länge des Zeigefingers und einer etwaigen Neigung zur lesbischen Liebe gefunden zu haben.
Die Fingerlänge und die homosexuelle Neigung – gibt es da wirklich eine Verbindung? Ist das ein Anzeichen, dass ich lesbisch bin, wenn mein Ringfinger länger ist als mein Zeigefinger?
Viele Lesben und besonders die Teen Lesben, also junge Girls, die sich in der Welt der Erotik gerade erst zu orientieren beginnen und da manchmal ausgesprochen unsicher, überwältigt und verwirrt sind, wären sicherlich froh, wenn es ein so schlagendes und aussagekräftiges Anzeichen dafür gäbe, ob sie nun heterosexuell sind und Frauen einfach hin und wieder anziehend finden, ob sie bisexuell sind oder aber Lesben, die ausschließlich auf den Sex unter Frauen stehen.
Schauen wir uns das doch mal genauer an, was man da angeblich als Anzeichen für eine lesbische Neigung zu finden geglaubt hat.
Wenn man sich einmal die Hände von Männern und Frauen ganz allgemein betrachtet, so gibt es eine Regel, die allerdings wie jede andere Regel nicht ohne jede menge Ausnahmen gibt: Gemeinhin sind bei Frauen die Zeigefinger, besonders anscheinend an der rechten Hand, länger als die Ringfinger.
Bei Männern sind die Ringfinger oft ein wenig länger – und angeblich gilt dies ebenso für die Lesben.
Als Ursache vermuten die Wissenschaftler, dass lesbische Frauen im Mutterleib einer höheren Konzentration an männlichen Geschlechts-
hormonen ausgesetzt gewesen sind.
Nun fragt es sich aber natürlich, wie haltbar diese Theorie ist. Es gibt sicherlich Tausende von Lesben, bei denen der Zeigefinger der rechten Hand länger ist als der Ringfinger.
Und wenn man schon einmal mit der These beginnt, dass Lesben mehr männliche Hormone abgekriegt haben, sich also männlicher verhalten oder mehr typisch männliche Eigenschaften haben, wenn man ihnen also schon einmal die Wertungen der heterosexuellen Erotik aufzwingt, dann muss man ja eigentlich noch weiter gehen.
Ebenso wie bei den Schwulen soll es bei den Lesben in einer homosexuellen Beziehung oft einen Partner geben, der eher den männlichen Part übernimmt, und einen, der als der weibliche Part auftritt.
Wobei die echten Lesben sich sicherlich manchmal die Haare raufen, dass man ihre homosexuelle Neigung nicht einfach als solche akzeptiert sondern irgendwie immer doch wieder auf eine eigentlich im Grunde heterosexuelle Neigung reduziert; und wenn es dazu noch so abstruser Begründungen bedarf.
Nimmt man diese beiden Theorien zusammen, dürften aber jedenfalls die Lesben, die die weibliche Rolle in der Lesben Beziehung spielen, keinen Ringfinger haben, der länger ist als der Zeigefinger.
Womit bereits beide Theorien gemeinsam ad absurdum geführt worden sind.